Die instruierende Variante der Supervision
Der Begriff des „Coaching“ ist inzwischen mit vielen unterschiedlichen
Arbeitsformen belegt, und wird in zahlreichen Zusammenhängen beruflicher
und privater Art in irgendeiner Form betrieben und angeboten.
Und auch Coachingdefinitionen in der Fachliteratur setzen immer noch
unterschiedliche Akzente. Es mag überraschend erscheinen, aber eine
abschließende einhellige Definition gibt es noch nicht.
Weitere Verwirrung schaffen die fantasievollen marktorientierten
Methodenbezeichnungen. Die starke Verbreitung des Coaching
im Beratungsmarkt macht es somit vorab erforderlich, im Einzelfall genauer
zu klären, welche Form beraterischer, instruierender oder begleitender
Interaktion der jeweilige Coach anbietet.
Ich betreibe Coaching als lösungs- und ressourcen-orientierte
Beratungsform. Ich gestalte methodisch und begleite konzeptionell den Zwischenraum von der
Ausgangssituation bis zum gewünschten Ziel des Klienten.
Es finden sich sehr viele Gemeinsamkeiten zwischen einem Coaching und
einer Supervision, wobei ich dem Coaching mehr instruierenden Anteile gewähre.
Dennoch sehe ich auch das Coaching dem Ideal der Selbstreflexion und der
geschützten Offenheit eines Beratungsprozesses verpflichtet.
Coaching ist für mich nicht reduziert auf eine reine Dienstleistung im
eigentlichen Sinne, die einfach nur Nutzen und Zielvorgaben zu erfüllen hat.
Der Klient zählt!
Coaching bearbeitet ein klar umgrenztes Beratungs-Anliegen, welches in überschaubarer
Zeit bearbeitet werden kann. Die Supervision hingegen ist eher eine längerfristige
Begleitung von Personen, Teams, Umstrukturierungen, Projekten, Ausbildungs-Phasen
oder neuer beruflicher Rollen.
Das Coaching zielt gerne auf eine Beratung von Führungskräften,
für eine knackige Bearbeitung und Lösung konkreter und aktueller
beruflicher Probleme, zum Beispiel wie die Führungsrolle oder
Führungsaufgabe bewältigt wird. Anlässe und Inhalte eines Coaching sind
daher oft in der besonderen beruflichen Situation einer Führungskraft
verankert. Stark repräsentiert ist daher die Zielgruppe Geschäftsführer, Management,
Führungskraft und Nachwuchskraft.
Zunehmend suchen und finden aber auch private Anliegen Zugang zu dieser
Beratungsform. Meist liegen hier Wünsche nach
Veränderung oder Weiterentwicklung der eigenen beruflichen oder
privaten Lebensziele zugrunde.
Coaching ist eine vielseitige Beratungsform, die nicht nur eine Fachwerkstatt
für Selbstveredelung sondern auch Sicherheitsanker, Orientierungshilfe, Tröster
und psychohygienisches Ventil sein, und somit Menschen umfassend zur Seite
stehen kann.
„Wir können die Probleme nicht mit demselben Denken lösen,
welches sie hervor gebracht hat.“
(Albert Einstein)
Im Coaching geht es vorwiegend um berufliche Anliegen bei denen eine
externe Unterstützung
für die tägliche Arbeit als sinnvoll oder erforderlich angesehen wird.
Anlass können einerseits Probleme sein, die alleine oder aus eigener Kraft
nicht gelöst werden können, und andererseits der Wunsch den professionellen
Level abzusichern oder zu steigern.
Die am Markt zur Verfügung stehenden Spielarten des Coaching sind vielfältig.
Für den Berufseinsteiger findet sich das „start-up-Coaching“, für die Übernahme
von Führungsverantwortung das „Onboarding-Coaching“, für die Ehrgeizigen das
„Karriere-Coaching“, und wenn es dann doch mal eng wird
das „Stress-Coaching“.
Doch niemand braucht einen Dschungel-Führer buchen: denn alles ist erst einmal
Coaching - hoffentlich. Schon diese vielen Bezeichnungen deuten die Vielfalt
der Anlässe für Coaching an, aber einige stechen doch hervor.
Führungskräfte stehen meist in besonders hoher Verantwortung. Ihre Entscheidungen stehen
oft unter Zeitdruck und müssen dennoch belastbar sein, und die wöchentlichen
Arbeitszeiten liegen meist weit über der Norm. Viel Stress also, aber wenig Zeit für
entsprechenden Ausgleich.
Coaching wird oft erst angefragt, wenn der Stress bereits das Wohlbefinden oder gar die Gesundheit
angreift. Neben der Suche nach Optionen zur Entlastung im Arbeitsalltag, werden dann auch die
Work-Life-Balance und Resilienzfaktoren Thema.
Auch „Feed-Back-Hunger“ führt ins Coaching. Vielen Führungskräften steht ein offenes
Feedback im beruflichen Umfeld gar nicht zur Verfügung. Aber ohne diesen „sozialen
Spiegel“ fehlt die für Führungskräfte so wichtige Rückkopplung, und somit eine
bedeutende Regelungsleistung für die Führungsfähigkeit. Denn gute Management-
Entscheidungen brauchen realistisches Feedback. Und je höher die Position,
desto größer ist meist der Feed-Back-Hunger der Führungskraft.
Nicht nur Führungskräfte sind von regelmäßigen Umstrukturierungs-Maßnahmen und der
Ineffizienz
erworbener Rollenklischees betroffen. Beziehungen neu gestalten, die eigene Identität
im Wandel neu definieren, den Rollenerwartungen weiterhin gerecht werden und eine
Äquidistanz in der Rollenvielfalt zu bewahren, ohne in ein inneres Durcheinander
zu geraten, erfordert begleitete Reflexion um Haltung und Einstellung im Coaching
neu zu justieren.
Auch Wünsche zur persönlichen Weiterentwicklung führen ins Coaching, insbesondere
wenn berufliche und persönliche Lebenspläne sich entgegen stehen.
Berufliche Problemlagen finden im Coaching den geschützten Raum für gemeinsames
Nachdenken in vertrauensvoller Atmossphäre, zur Vorbereitung persönlicher
Entscheidungen, dem gemeinsamen Reflektieren belastender Erfahrungen, für das Auflösen von
Konflikten, eine emotionale Entlastung oder die Erarbeitung effizienterer Strukturen.
Viele Studien haben unter Anwendung der Return-of-Investment-Formel herausgefunden:
Coachingkosten sind geringer als der daraus hinzu gewonnene ökonomische Profit.
Es gibt also auch sehr gute ökonomische Gründe für Coaching.
Das eingebrachte Beratungsanliegen bestimmt die Themen und Ziele des Coaching.
Der Aufbau einer zusätzlichen Arbeitsbeziehung zum Berater gehört zunächst dazu.
Gemeinsam wird vereinbart, was bearbeitet werden soll. Zum Beispiel die Leitungsrolle,
die eigene Wahrnehmung, das Selbstwertgefühl, die Struktur der Kommunikation, die
Grundmuster der eigenen
Konfliktbearbeitung, oder Fragen der persönlichen Laufbahn- bzw. Lebensplanung.
Genereller Gegenstand ist die Begleitung und Unterstützung bei der Bewältigung
der beruflichen Rolle, die gemeinsame Analyse der Probleme des Berufsalltags und
die Reflexion des Umgangs mit Mitarbeitern oder Vorgesetzten.
Im Coaching werden je nach Wunsch und Bedarf auf der beruflichen Ebene Führungs-,
Steuerungs- und Beziehungs-Kompetenz bearbeitet und gestärkt. Dafür werden zunächst
neue Deutungs- und Handlungsmuster entwickelt, die im beruflichen Alltag erprobt,
und im Coaching fortlaufend angepasst und weiter entwickelt werden.
Die stete Begleitung beim Ausprobieren neuer Verhaltensweisen verdichtet die
Bearbeitung der neu zu erlernenden, oder zu verändernden oder auch zu erweiternden Rolle
als Führungskraft.
Ein Coaching unterstützt bei der Sensibilisierung für die relevanten
Aufgaben, und entlastet bei der Klärung emotionaler Verstrickungen, ist aber auch
der geeignete Raum für Überlegungen zur Entwicklung des Unternehmens, sowie der
Entwicklung und Umsetzung der dafür erforderlichen Strategien und Umstrukturierungen.
„Auch eine schwere Tür hat nur einen kleinen Schlüssel nötig“ (Charles Dickens)
Coaching ist das typische Format bei externer Einzelberatung für die
personenzentrierte Arbeit mit Führungskräften, entlang der Frage, wie die
Führungsrolle von der Person bewältigt wird. Die Themen und Ziele umfassen
dabei, neben der Arbeitswelt und Berufsrolle, im Bedarfsfall auch Störungen
und Probleme durch private Anliegen.
Neben Feed-Back-Hunger und Überlastung gibt es noch weitere typische Coaching-Anliegen
von Führungskräften. Da gibt es zum einen das immer noch verbreitete
schwer auflösbare Rollenideal
des Managementmodells: Störungen und Versagen dürfen erst gar nicht vorkommen!
Das macht Druck und - Angst! Und die ist ein weiteres typisches Thema im Coaching,
denn Führungskräfte sind nicht auf Angst vorbereitet. Für Angstprobleme gibt es
keine eingeübten Möglichkeiten zur Besprechung im Kontext des Unternehmens,
und darüber hinaus auch keine Führungswerkzeuge um mit der Angst von Mitarbeitern und ihrer
Auswirkung umgehen zu können. Reagiert wird eher mit kollektiver Abwehr oder
Flucht in Rollenklischees. Im Coaching finden Angstprobleme Ihren Raum.
Obwohl soft-skills im letzten Jahrzehnt deutlich ausgebaut wurden, ist regelmäßig
zu hören: „Ich komme mit den Leuten nicht mehr zurecht“.
Im Verlaufe der Karriere haben viele Führungskräfte auch zu oft erlebt, dass
viele persönliche
Kontakte nur solange halten, wie die jeweilige Zielerreichung dies gestattet.
Probleme rund um die berufliche Beziehungsgestaltung sind daher verbreitete
und regelmäßige Coachinginhalte.
Die Genesis dieser Probleme liegt zum Teil in einer „déformation professionelle“
der Führungskräfte:
Denn das Normensystem der Organisation ist insbesondere in Zeiten hoher
Veränderungsintensität vieldeutig und widersprüchlich.
Und dies führt zu spürbarer
Handlungsunsicherheit, einem diffusem Erfolgsdruck und doppelbödiger Beziehungsgestaltung.
Die vermeintliche Rettung bringt dann die Fassade des Alleskönners hervor.
Doch Führungskräfte sind auch durchsetzungstarke und kraftvolle Persönlichkeiten, die
zudem Freude und Begeisterung für ihre Aufgaben mitbringen. Und wenn Ihnen die Wahrnehmung
ihrer vielfältigen Rollen und Aufgaben bisweilen Grenzen aufzeigt, imponieren sie doch
immer wieder mit ihrem Verlangen und Ihrer Bereitschaft nach Lösungen zu suchen,
und sich dabei auch helfen zu lassen.
Zudem finden sich für Führungskräfte eine Reihe persönlicher Energiequellen,
wie Gestaltungswille, Lust an Macht und Einfluss, ein hohes Pflichtgefühl,
eine ausgeprägte Loyalität zum Unternehmen, und eine starke inhaltliche
Identifikation mit den Werten und Kernaufgaben. Aber auch eine Lust an
Selbstdarstellung und Spaß an Status. Coaching hilft dabei, diese Kräfte nutzbar
zu machen.
Gute Beratung ist ein kommunikativer Verdichtungsprozess mit der Verpflichtung
nicht nur ungefähr, sondern so genau wie möglich zu verbalisieren.
Es bedarf eines hohen Maßes an Intensität, damit überhaupt etwas erreicht wird.
Es kommt darauf an in der Sprache des Klienten in dessen Wirklichkeit einzutreten
(Watzlawick).
Einen Satz kann man aufschreiben, aber nicht das wirklich Gesagte
und seine Auswirkungen. Nur im Kontext ist er verständlich. Der Berater
muss also nicht nur den Inhalt wahrnehmen können, sondern die Ganzheit,
den Ton, den Körper, das was dahinter liegt. Auch unser Gehirn
speichert im übrigen nicht das Einzelne, sondern das Allgemeine dahinter.
Bedeutungs- und Wertzuschreibungen ereignen sich nur im sozialen Diskurs.
Für das ICH und die berufliche Identität sind die Anderen konstitutiv.
Schlechte Kommunikation kann hier verheerenden Schaden anrichten.
Menschen in laufenden Beratungsprozessen sind vorübergehend etwas zerbrechlicher.
Der Kommunikationsstil des Beraters wird dies berücksichtigen.
Ermutigung, Humor und Konfrontation sind während des gesamten Beratungsprozesses
für die Beziehungspflege von wesentlicher Bedeutung.
Humor als Intervention funktioniert allerdings erst dann, wenn die Arbeitsbeziehung
ausreichend vertieft und vertraulich ist, da sich der Klient ansonsten auch
verhöhnt fühlen könnte.
Doch seine Vorteile machen Humor zu einer der wirksamsten und beliebtesten
Interventionen. Er kann in unlösbaren Situationen wie ein heißes Messer durch Butter
gleiten, ermöglicht einen spontanen Perspektivenwechsel, wandelt Tragödien zu
Komödien, schafft es spielerisch existenzielle Widersprüche auszudrücken und
hat eine starke emotional befreiende Wirkung. Zudem ist er
Ausdruck der Grundhaltung und er verfestigt die Intensität der Arbeitsbeziehung.
Kommunikation im Beratungsprozess folgt natürlich keiner Routine:
Um der Einzigartigkeit der Situation und vor allem der Person, ihren Bedürfnissen
und ihrem Anliegen gerecht werden zu können, darf ein guter Berater keinesfalls
durch bestimmte erlernte Methoden oder Techniken eingeengt sein. Mit verantwortungsvollem
Eklektizismus wird er die Palette üblicher Beratungs-Methoden und -Techniken nur nutzen,
wenn sie unmittelbar für den Beratungsprozess hilfreich erscheinen.
Beratungsprozesse hängen stark von der Qualität der Kommunikation und der Arbeits-Beziehung,
und eben nicht von etwaigen Techniken und Methoden ab. Das gilt übrigens auch für
Therapieprozesse. Denn selbst therapeutische Techniken und Methoden
tragen zum Therapieerfolg erstaunlicherweise kaum mehr als 15% bei!
Was dazu noch viel relevanter ist: Die Methode bestimmt
den Gegenstand der Betrachtung, was den Focus der Beratung unscharf machen kann.
Die Gefahr von Verzerrungen, die vom eigentlichen Beratungsanliegen
wegführen können, wohnt allen Methoden und Techniken inne. Darum werden Sie im
Beratungsprozess nur sparsam eingesetzt, aber gute Kommunikation umso mehr.
Beratungsprozesse gelingen nicht durch Einsicht, sondern bewirken die Veränderung
durch gezielte Führung mittels Kommunikation. Das ist zugleich höchst manipulativ,
weshalb der Ethik des Beraters unbedingt Beachtung zu schenken ist.
Gelungene Kommunikation braucht natürlich auch den motivierten Ratsuchenden,
mit Problem- und Selbstbewußtsein,
damit er strukturell auch befähigt ist, zu sich selbst Stellung zu nehmen.
Die Kommunikation ist in der Beratung der maßgebliche Erfolgsfaktor für das Gelingen
und agiert mit vielen Facetten: dem genauen Beobachten, dem gezielten Führen
und Weglenken der Aufmerksamkeit, dem Funktionalisieren von Empathie, einer
großzügigen Portion Humor, präzisem Formulieren, Konfrontieren, Manipulieren,
Hypothesen bilden, Verständnis, liebevollem Provozieren, Mitgefühl,
Körpersprache gezielt einsetzen und deuten, genauem Verbalisieren, Dinge auf
den Punkt bringen, so gut wie möglich Zuhören können, und sehr vielem mehr...
Und zuletzt bestimmt auch die Ressource Lebenserfahrung maßgeblich das Timbre
guter und gelingender Kommunikation in der Beratung.
Einfach mal zu weit gehen – und sich dort ein wenig umsehen.
Nur im Zusammenbruch unserer Konstruktionen begreifen wir, dass die Welt nicht so ist, wie wir sie bisher gesehen haben.